Paludikultur: vom Landwirt zum Moorwirt

Wiedervernässung bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Flächen nicht mehr genutzt werden können. Paludikultur (lateinisch palus = Sumpf) – so bezeichnet man die klimaschonende Bewirtschaftung nasser Moorböden.

Moore mit Paludikultur. Greifswald Moor Centrum (o.J.)
Bislang wurden Produkte aus Paludikultur vor allem in Tiny Houses verbaut. Doch auch bei normalen Häusern sind sie nützlich. Mooratlas (2023)

Wiedervernässung  bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Flächen nicht mehr genutzt werden können. Paludikultur (lateinisch palus = Sumpf) bezeichnet die klimaschonende Bewirtschaftung nasser Moorböden. Die Flächen können u.a. für den Anbau nachwachsender Rohstoffe, die Installation von Photovoltaikanlagen oder zur extensiven (sprich eingriffsarmen) Bewirtschaftung zum Futtermittelanbau oder als Weideflächen benutzt werden. So bleibt der Torfkörper trotz Bewirtschaftung erhalten. Für den Anbau eignen sich Nutzpflanzen, die gut mit Nässe umgehen können: z.B. Schilf, Rohrkolben, Erle, Seggen. Diese können als Bau-, Dämm-, und Werkstoffe oder auch Verpackungsmaterial weiterverarbeitet werden. Die Umstellung ist für die Landwirt*innen jedoch mit großen Herausforderungen verbunden - es bedarf neuen Pflanzenständen, Baumaßnahmen, Anschaffung neuer Maschinen, Einholen von Genehmigungen, Schaffung neuer Vertriebswege etc.  Einige innovative Betriebe setzen schon heute auf nachwachsende Rohstoffe durch Paludikultur, doch großflächig fehlt es bislang an Märkten und Weiterverarbeitungsmöglichkeiten für die auf Moorflächen gewachsenen Produkte. Damit haben die meisten Landwirt*innen aktuell keinen Anreiz für eine Bewirtschaftung bei höheren Wasserständen. Deshalb werden Fördermöglichkeiten entlang der gesamten Produktionskette benötigt. Mit einem weiteren Vorteil: Mittels Paludikultur könnten nachwachsende Roh- und Baustoffe lokal produziert werden, anstatt auf langem Wege nach Europa importiert.

Während in den moorreichen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern oder auch Schleswig-Holstein sukzessive mehr Pilotprojekte der Paludi-Bewirtschaftung entstehen, wartet Sachsen-Anhalt  bislang noch auf seine Paludi-Pioniere. Auf Nachfrage erklärte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland e.V., dass die Meinungsbildungsprozesse seitens der Landwirt*innen hinsichtlich der Bewirtschaftung nasser Moorflächen noch nicht ausgreift seien.  Auf Bundesebene wurden einige Förderprojekte für die Moorbewirtschaftung realisiert und weitere befinden sich in Planung. Dabei wird es auch in Zukunft Zielkonflikte bei der Flächennutzung geben. Häufig müssen dabei Interessen von Klimaschutz, Biodiversität und Agrarproduktion gegeneinander abgewogen werden. Diese Aushandlungsprozesse benötigen politischen Willen, Expertise und enge Zusammenarbeit.

Galloway Rinder auf halboffenen Weidelandschaften. Zweckverband Natur- und Kulturlandschaft Drömling/Sachsen-Anhalt, © Susanne Steckel

Hier mehr erfahren  was politisch notwendig ist, um Moorbodenschutz und moorschonende Bewirtschaftung voranzutreiben.

Huzulen auf halboffenen Weidelandschaften. Zweckverband Natur- und Kulturlandschaft Drömling/Sachsen-Anhalt, © Thekla Rohde

Auf der Suche nach lokalen Praxisbeispielen lohnt sich ein Blick in das Naturschutzgroßprojekt im Drömling im Nordwesten von Sachsen-Anhalt: Hier hat der Zweckverband Natur- und Kulturlandschaft Drömling/Sachsen-Anhalt bis 2012 über 4000 ha Land erworben und zahlreiche Flächen in den Niedermoorbereichen wiedervernässt [1]. Nach dem Prinzip der Halboffenen Weidelandschaft werden die feuchten Niedermoorflächen zur extensiven (=eingriffsarmen) Beweidung von Pferden und Rindern genutzt. Dabei werden Rassen eingesetzt, die besonders robust gegenüber Nässe sind – zum Beispiel Konik oder Huzulen Pferde sowie Galloway Rinder. Teilflächen mit dieser Bewirtschaftungsform werden seit 2019 als LEADER Projekt „Halboffene Weidelandschaften am Germenauer Heuweg“ gefördert [2]. Die Klimabilanz solcher Projektvorhaben ist bislang nicht erforscht worden. Dies soll sich durch das Forschungsprojekt „Moorbodenmonitoring für den Klimaschutz“ (MoMoK) des Thünen-Instituts bald ändern: Deutschlandweit, u.a. auch im Drömling, wird ein Monitoringmessnetz an wiedervernässten Moorflächen angelegt. So sollen Informationen über die Veränderungen im Moorkörper nach der Wiedervernässung, über Moorschwund- bzw. Wachstum und über die Treibhausgasbilanzen der Flächen gewonnen werden [3].

Einzelnachweise:

[1] https://www.wwf.de/themen-projekte/wwf-erfolge/droemling-ein-niedermoor-blueht-wieder-auf

[2] https://www.droemling.de/projekte/alternative-landnutzungsformen/

[3] https://www.thuenen.de/de/fachinstitute/agrarklimaschutz/projekte/moorbodenmonitoring-fuer-den-klimaschutz#

Literatur und weitere Informationen:

Deutscher Verband für Landschaftspflege e.V. (2022): Zusammenarbeit im Moor – so kommt der Klimaschutz voran! Online unter: https://www.dvl.org/uploads/tx_ttproducts/datasheet/DVL-Publikation-Fachpublikation_Zusammenarbeit_im_Moor.pdf

Deutscher Landesverband für Landschaftspflege e.V. (2019): Kooperativer Klimaschutz durch angepasste Nutzung organischer Böden – ein Leitfaden. Online unter: https://www.dvl.org/uploads/tx_ttproducts/datasheet/DVL-Publikation-Schriftenreihe-26_Kooperativer_Klimaschutz_durch_angepasste_Nutzung_organischer_Boeden.pdf

Heinrich Böll Stiftung (2023): Mooratlas - Daten und Fakten zu nassen Klimaschützern. Online unter: www.boell.de/mooratlas

Politische Ökologie (2022): Moore – Trümpfe in der Klimakrise. Oekom Verlag e.V. Online unter: https://www.oekom.de/ausgabe/moore-80879

Thünen-Institut (o.J.): Moorbodenmonitoring für den Klimaschutz. Online unter: https://www.thuenen.de/de/fachinstitute/agrarklimaschutz/projekte/moorbodenmonitoring-fuer-den-klimaschutz

Zweckverband Natur- und Kulturlandschaft (2015): Kurzfassung des Pflege- und Entwicklungsplans für den Drömling 2015. Oebisfelde-Weferlingen

Zweckverband Natur- und Kulturlandschaft Drömling/Sachsen-Anhalt (o.J.): Alternative Landnutzungsformen. Online unter: https://www.droemling.de/projekte/alternative-landnutzungsformen/