Weg vom Weiter-So
Um sich den neuen und künftigen Herausforderungen im Hinblick auf Wasserknappheit anzupassen, besteht Handlungsbedarf auf vielen Ebenen. Dabei spielt vor allem die Wiederherstellung eines naturnahen Wasserhaushalts inklusive gestärktem Wasserrückhalts in der Landschaft eine wichtige Rolle. Doch der Weg dahin ist noch weit.
Gestörter Wasserhaushalt, sinkende Grundwasserspiegel, auf Entwässerung ausgerichtete Bewirtschaftung, zunehmende Trockenheit und Extremwetterlagen – es besteht Handlungsbedarf in unserem Umgang mit den Wasserressourcen. Dabei ist Wasser selten aus rein physischen Gründen knapp. Vielmehr geht es um Management und Verteilung der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Um Wasserknappheit und Konflikten vorzubeugen, braucht es tiefgreifende Veränderungen in politischen, technischen, rechtlich-institutionellen Dimensionen. Ein gestärktes Bewusstsein für die Problematiken ist ein erster wichtiger Schritt. Nun gilt es Maßnahmen zu ergreifen, um Wasserhaushalt und Ressourcenmanagement an die neuen Herausforderungen anzupassen. Dabei können Anpassungsmaßnahmen innerhalb der einzelnen Sektoren (Landwirtschaft, Industrie, Forstwirtschaft, Naturschutz, …) zu neuen Zielkonflikten führen. Bislang arbeiten die verschiedenen Entscheidungsträger*innen – insbesondere auch über administrative Grenzen hinweg – zu wenig zusammen. Die Datenlage über unsere wichtigste Ressource ist regional oft lückenhaft und häufig intransparent. Dem Land Sachsen-Anhalt musste immerhin erst eine Klage drohen, ehe es die Daten zu den großen industriellen Wassernutzern öffentlich gemacht hat [1]. Wie viel Wasser das geplante Intel Werk in Magdeburg jährlich verbrauchen wird, ist nicht öffentlich einsehbar (Stand Frühjahr 2024) [2]. Wie viele Millionen (oder Milliarden?) Kubikmeter Wasser das Braunkohleunternehmen MIBRAG zur Flutung der Tagebaue benötigt und woher – nicht öffentlich. Unsere Datenrecherche zur landwirtschaftlichen Beregnung in Sachsen-Anhalt hat Wochen gedauert und führte von Behörde, über Ämter, zum Ministerium und zurück. Um den Zielkonflikten effektiv zu begegnen und gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln, braucht es daher eine stärkere sektorenübergreifende Zusammenarbeit in Kombination mit Ausbau, Digitalisierung und Zentralisierung der Dateninfrastruktur. Dies muss mit einem Ausbau personeller, finanzieller und fachwissentlicher Ressourcen, beispielsweise in den Umweltbehörden und Unterhaltungsverbänden, verbunden sein.
Ein zentraler Hebel bei der Umstellung unseres Wassermanagements liegt in der Wiederherstellung eines möglichst naturnahen Wasserhaushalts. So wird die Wasserspeicherfähigkeit bzw. der Wasserrückhalt in der Landschaft erheblich erhöht und Böden, Feuchtgebiete und Gewässer sind entsprechend weniger anfällig für Trockenheit. Gleichzeitig wird in sogenannten »Klimalandschaften« mehr Kohlenstoff gespeichert, die Erde gekühlt und die Artenvielfalt gefördert. Somit können wichtige Schritte in Richtung Klimaneutralität und -Schutz erreicht werden. Maßnahmen umfassen beispielsweise:
- großräumige Renaturierung von Feuchtgebieten, Mooren, Auen und Wäldern
- Umstellungen im Städtebau in Anlehnung an das Konzept der Schwammstädte
- Umbau der Acker- und Wiesenflächen hin zu strukturreichen Landschaften, insbesondere auch Agroforst
- Renaturierung von Flüssen, Herstellung eines guten ökologischen Zustands nach Wasserrahmenrichtlinie
- Rückbau von Entwässerungsanlagen bzw. flexibles Stauen von Wasser zum saisonalen Wasserrückhalt (unter Beachtung der ökologischen Durchgängigkeit)
Der Handlungsbedarf gegen die Wasserknappheit ist durchaus erkannt. Im Jahr 2023 wurde auf Bundesebene die »Nationale Wasserstrategie« entwickelt [3]. Das dazugehörige Aktionsprogramm enthält vielfältige Maßnahmen in zehn verschiedenen Handlungsfeldern, um die aktuellen und künftigen Herausforderungen adressieren zu können: Wiederherstellung des naturnahen Wasserhaushalts, Anpassung der Wasserinfrastrukturen an die Folgen der Klimakrise, Sicherung der Trinkwasserversorgung, u.v.m. Die Ziele sind ambitioniert. Nun geht es darum, dass die Strategie politisch priorisiert wird und zeitnah effektive Maßnahmen umgesetzt werden.
Auch in Sachsen-Anhalt steht ein Umdenken an: Das Wassergesetz des Landes befindet sich derzeit in Überarbeitung (Stand Januar 2024). Dabei soll vor allem stärker auf Wasserrückhaltung gesetzt werden, beispielsweise durch (Wieder)Inbetriebnahme von Stauanlagen. Das neue Motto - Rückhalt statt Entwässerung [4]. Die Umsetzungsverantwortung liegt bei den Unterhaltungsverbänden, welche die Mehrkosten voraussichtlich auf die Gemeinden bzw. Flächeneigentümer umlegen werden. Eine Erhöhung des Wasserentnahmeentgelts für Braunkohle und Industrie ist jedoch bisher nicht geplant, obwohl diese Großabnehmer in kaum einem anderen Bundesland so günstig davonkommen wie in Sachsen-Anhalt. Der Weg hin zu einem naturnahen Wasserhaushalt und klimafestem Wasserressourcenmanagement ist also noch ziemlich weit.
Einzelnachweise:
[1] CORRECTIV (2023): Nach CORRECTIV-Klage: Sachsen-Anhalt gibt Daten zu größten Wasserschluckern heraus. Online unter: https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/02/14/nach-klage-sachsen-anhalt-gibt-daten-zu-den-groessten-wasserschluckern-heraus/
[2] Antwort auf eine Anfrage an die Stadträte aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
[3] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2023): Nationale Wasserstrategie
[4] Volksstimme (2023): Wie Sachsen-Anhalt mit einem neuen Wassergesetz der Dürre begegnen möchte. Online unter: https://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/wie-sachsen-anhalt-mit-einem-neuen-wassergesetz-der-durre-begegnen-mochte-3716648
Literatur und weiterführende Informationen:
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2023): Nationale Wasserstrategie
LAWA Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (2022): Umgang mit Zielkonflikten bei der Anpassung der Wasserwirtschaft an den Klimawandel
Oekom e.V. (2023): Globale Wasserkrise – Lebenselixier unter Druck. Politische Ökologie, oekom Verlag, München