Kochworkshop- und Filmtour durch Sachsen-Anhalt

Regional, saisonal, pflanzenbasiert und ökologisch – das sind die Zutaten für eine klimafreundliche Küche"

In diesem Jahr touren wir mit einem klimafreundlichen Kochworkshop und dem Film „Anders essen – Ein Experiment“ im Gepäck durch Sachsen-Anhalt! Gemeinsam mit Zukunftsspeisen – Superfood für Sachsen-Anhalt und Kooperationspartner*innen vor Ort wollen wir nicht nur darauf aufmerksam machen, dass unsere Ernährungsweise ein wesentlicher Faktor für die gegenwärtige Klimakrise und den Biodiversitätsverlust ist, sondern wir wollen auch mit Neugier, Kreativität und Spaß klimafreundlich kochen. Wir werben damit für eine Ernährungswende, in der unsere Lebensmittelproduktion und unser Ernährungsstil klimafreundlich werden. Und – wer hätte das gedacht? – dafür braucht es mitunter nur kleine Veränderungen und die Lust, Neues zu entdecken. Die großen Stellschrauben liegen im Bereich der Ernährungssysteme natürlich auf Seiten der Politik – aber auch wir als Verbraucher*innen und Konsument*innen können etwas tun.

Klimafreundliche Ernährung

In unseren Kochworkshops experimentieren wir mit unterschiedlichen Getreidearten (Buchweizen, Hirse, Kichererbsen, Hanf…) und setzen unterschiedliche Schwerpunkte, die jeweils eine Facette der notwendigen Ernährungswende beleuchten.

In der Krise liegt eine Chance: klimafreundlichere Ernährung bedeutet auch Kreativität in der Küche, das Kennen- und Schätzenlernen regionaler Produzent*innen und neuer Zutaten und nicht zuletzt leckere Geschmackserlebnisse"

Dazu muss der Burger nicht neu erfunden werden, denn Rezeptideen gibt es wie Erbsen am Strauch. Unsere Veranstaltungsreihe führt uns über Quedlinburg VERANSTALTUNGSKALENDER nach Halle und Dessau im ersten Halbjahr und nach Wittenberg, Magdeburg und Groß Garz in der Altmark im zweiten Halbjahr.
Die Kochworkshops richten sich besonders an Multiplikator*innen aus der Gastronomie, der Gemeinschaftsverpflegung und an angehende Köch*innen Der Dokumentarfilm „Anders essen – Ein Experiment“ richtet sich an alle am Thema interessierten. Der Eintritt zu beiden Veranstaltungen ist jeweils frei, für den Kochworkshop ist eine Anmeldung erforderlich (anmeldung@boell-sachsen-anhalt.de)

Um die Veranstaltungen mit einem größeren Publikum teilen zu können, werden wir die Workshops videografisch festgehalten und anschließend auf dieser Website veröffentlicht. So können interessierte Hobby- und Profiköch*innen  die Inputs und Rezepte der gesamten Tour nachschauen  und nachkochen. Zusätzlich gibt es sechs verschiedenen Rezepte auf ansprechenden Postkarten zum Nachkochen in der eigenen Küche und zum Verschenken an andere.

Rezeptpostkarten können hier bestellt werden: info@boell-sachsen-anhalt.de


Regional ist klimafreundlich

Was wächst eigentlich auf dem Acker nebenan? Und welche Pflanze ist gerade erntereif? Im Idealfall lernt jeder Mensch in Zukunft die Antworten auf diese Fragen. Denn mit einer vorwiegend regionalen Ernährung wird der Bezug zur Landwirtschaft und den natürlichen Gegebenheiten der lokalen Produkte hergestellt. In dem man darauf achtet, welches Obst oder Gemüse gerade in Saison ist, lernt man die regionalen Produkte und Klimabedingungen besser kennen.  Ein klimafreundliches Ernährungssystem setzt auf regionale Produkte und Wertschöpfungsketten. Der weltweite Transport von Lebensmitteln ist verantwortlich für einen erheblichen Teil der von der Landwirtschaft ausgestoßenen Emissionen. Durch kurze Transportwege können diese Emissionen reduziert werden und gleichzeitig der Verlust von Lebensmitteln auf dem Weg verringert werden, da das Risiko von Fäulnis oder Beschädigung von Lebensmitteln auf einem kürzeren Weg kleiner ist.

Ein weiterer Vorteil einer vorwiegend regionalen Ernährung ist die Unterstützung von Landwirt*innen aus der Region. Lokale Erzeuger*innen haben im Konkurrenzkampf mit großen Ketten oder Discountern häufig aufgrund des Preisdrucks einen schwierigen Marktzugang. Mit Hilfe von zuverlässigen Abnehmer*innen, beispielsweise in Form einer Solidarischen Landwirtschaft oder Einkaufsgemeinschaften kann den Landwirt*innen eine faire Bezahlung und Kalkulationssicherheit gegeben werden.


Ökologisch ist klimafreundlich

Die biologische Landwirtschaft hat in den letzten Jahren an enormer Bedeutung gewonnen: die EU-Agrarminister*innen haben sich sogar das Ziel gesetzt, mindestens 25% der agrarischen Fläche bis 2030 ökologisch zu bewirtschaften. Eine Ernährung, welche aus biologisch produzierten Lebensmitteln besteht, leistet einen wichtigen Beitrag zum Bodenschutz, Artenschutz und Klimaschutz. Biologische Landwirtschaft hat das Ziel, mit möglichst umweltschonenden Methoden Lebensmittel zu produzieren und somit den menschlichen Eingriff in die Naturkreisläufe zu minimieren.

Das wohl beste Argument für eine biologischen Landwirtschaft sind die geringeren negativen Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt. Die Vermeidung von chemischen Pestiziden verringert die Belastung des Grundwassers und der Gewässer in der Nähe der Ackerböden und trägt zum Erhalt von Insektenvorkommen bei. Statt Herbizide zu verwenden, wird mit Bodenbedeckung wie Stroh oder Fruchtfolge dem Unkrautwuchs Einhalt geboten. Ebenso sind der Energieverbrauch und somit der Emissionsausstoß von Bio-Landwirtschaft deutlich geringer, da energieintensive synthetische Düngemittel nicht verwendet werden. Von zentraler Bedeutung ist außerdem die Bodenfruchtbarkeit, welche durch bodenschonende Anbaumethoden, Fruchtwechsel und aktive Humusförderung konserviert wird.

Nicht zu vergessen ist, dass bei der Produktion von biologischen, tierischen Lebensmitteln auf das Tierwohl geachtet wird. Die Tiere werden möglichst artgerecht gehalten, sodass genügend Platz für die Tiere geschaffen wird und der Einsatz von Antibiotika so gering wie möglich gehalten wird. Natürlich ist mit dieser Art der Tierhaltung keine Massentierhaltung möglich: nur mit einer geringen Verzehrmenge kann ein biologischer Fleischkonsum gewährleistet werden.

All diese Richtlinien sind in der EU-Öko-Verordnung verankert. Das Gesetz legt fest, wie Bio-Lebensmittel in Europa produziert, kontrolliert und gekennzeichnet werden müssen. Dadurch wird es für die Verbraucher*innen leichter, Bio-Produkte zu erkennen und deren Produktionsbedingungen einzuordnen. Wenn der Plan der EU aufgeht, sind in einigen Jahren deutlich mehr Bio-Produkte in den Regalen zu finden.

Lebensmittelrettung ist klimafreundlich

Wir haben uns an ein Schlaraffenland gewöhnt – auch spät am Abend sind die Supermärkt voll und fast alle Produkte noch vorhanden. Dieser Luxus hat aber eine Schattenseite, welche im Anblick des Überflusses schnell vergessen ist. Laut BMEL im Jahr 2015 werden jedes Jahr in Deutschland 12 Millionen Tonnen an Lebensmitteln weggeworfen. Dabei fällt etwa die Hälfte dieser Lebensmittel in privaten Haushalten an, wodurch jede*r Verbraucher*in etwa 75 Kilogramm Lebensmittel im Jahr entsorgt. Die Hälfte der entsorgen Produkte ist prinzipiell noch genieß- und verwertbar.
Unsere Einkaufsgewohnheiten spielen dabei eine entscheidende Rolle. Viele Menschen planen ihren Einkauf und ihre Gerichte kaum oder gar nicht, sodass zu viel eingekauft wird. Zudem locken Supermärkte mit Sparangeboten bei besonders großen Packungen, welche jedoch nicht aufgebraucht werden. Auch die Erwartung, dass prall gefüllte Regale bis kurz vor Ladenschluss jeden Wunsch erfüllen, ist unhaltbar und führt zu einer hohen Menge von Lebensmitteln, welche aussortiert werden müssen. Hinzu kommt, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum oft nicht als Richtwert, sondern als letztmögliches Konsumdatum wahrgenommen wird, obwohl das Produkt noch  länger genießbar wäre. 
 

Wenn weniger Lebensmittel weggeworfen werden würde, müssten auch weniger produziert werden und somit die Flächennutzung natürlich begrenzt. Initiativen wie foodsharing setzen sich bereits für die Rettung von Lebensmitteln ein, welche sonst im Müll landen würden. Jedoch ist eine umfassende Änderung der Einkaufsgewohnheiten nötig, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren – auch wenn dann abends vielleicht mal die Regale leer sind und ein anderes Rezept gekocht werden muss. 

Essen nach der Planetary Health Diet ist klimafreundlich

Hinter dem Begriff ‚Planetary Health Diet“ versteckt sich ein Ernährungsmasterplan für eine nachhaltige, gesunde Ernährung, welche die natürlichen Ressourcen der Erde respektiert. Dieser Ernährungsstil ist ein von Wissenschaftler*innen erarbeiteter Speiseplan, nach welchem die Gesundheit der Menschen und die Umwelt zugleich geschützt werden soll. Entwickelt wurde die Empfehlung von der EAT-Lancet-Kommission, der 37 Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen wie den Ernährungswissenschaften oder der Klimaforschung angehören. Integraler Bestandteil der Planetary Health Diet ist, den Großteil der täglichen Kalorienzufuhr mit Gemüse und Obst, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Nüssen und ungesättigten Fettsäuren zu decken. In moderaten Mengen dürfen auch Fisch, Fleisch und Milchprodukte konsumiert werden. Dies beschränkt sich aber auf ein- bis zweimal die Woche . 

Mit Hilfe dieser Ernährung sollen die planetaren Grenzen respektiert werden und trotzdem genügend Lebensmittel für die Weltbevölkerung produziert werden können. Durch die Reduktion von Fleisch und Milchprodukten würden weite Flächen an ehemaligem Weideland für den Ackerbau nutzbar werden und somit mehr Menschen mit Getreide, Hülsenfrüchten und Gemüse zu versorgen. Im Hinblick auf eine wachsende Weltbevölkerung, welche vermutlich bis 2050 die 10 Milliarden Grenze überschritten haben wird, ist die Flächennutzung zur Ernährungssicherung von großer Bedeutung. Nach Schätzungen könnten darüber hinaus ca. 11 Millionen vorzeitige Tode weltweit durch ernährungsbedingte Krankheiten vermieden werden, wenn die Planetary Health Diet von allen Menschen adaptiert werden würde. 

Pflanzenbasiert ist klimafreundlich

Eine überwiegend pflanzenbasierte Ernährung ist aktiver Klimaschutz – Fleisch und dessen Produktion ist für die meisten Emissionen in der Landwirtschaft und für einen massiven Ressourcenverbrauch verantwortlich. Während ein Kilo Äpfel durchschnittlich 250 g CO2 freisetzt, sind es für dieselbe Menge Rindfleisch 12,3 kg . Außerdem ist der Flächenverbrauch für den Fleischkonsum enorm: Weideland und Futtermittelanbau verschlingen riesige Mengen an fruchtbaren Böden, welche für den Anbau von Lebensmitteln genutzt werden könnten. Weltweit wird ca. 60% der gesamten agrarischen Fläche für den Anbau von Futtermittel verwendet, in Form von Grünland oder Ackerland . Ein weiterer großer Vorteil ist ein geringerer Wasserverbrauch einer veganen Ernährung. Die Landwirtschaft ist für etwa 70% des Wasserverbrauchs weltweit verantwortlich . Kaum ein Lebensmittel verbraucht so viel Wasser wie die Produktion von Fleisch. Im Hinblick auf einen zunehmenden Wassermangel und steigende Temperaturen gerät die Bedeutung von Wasser und dessen Verschwendung in den Fokus einer nachhaltigen Landwirtschaft. Das noch verfügbare Wasser sollte sparsam eingesetzt werden, sodass die Ernährungssicherheit von allen Menschen auf der Welt garantiert werden kann. 

Durch eine pflanzenbasierte Ernährung wird nebenbei auch das Risiko für Krankheiten wie Diabetes Typ 2 oder Herzerkrankungen verringert. Besonders wichtig ist es in einer pflanzenbasierten Ernährung, auf eine ausgewogene Lebensmittelauswahl zu achten und damit den Körper mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen zu versorgen. Eine pflanzenbasierte Ernährung sollte, wie der Name bereits vermuten lässt, zum Großteil aus Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukten bestehen. Pflanzliche Proteine wie Hülsenfrüchte ergänzen die Grundpfeiler dieser Ernährungsform. Mit Neugier in der Küche und Experimentiergeist lassen sich viele wohlschmeckende Gerichte aus diesen Komponenten zaubern.

Klimafreundliche Ernährung ist Teil von Klimagerechtigkeit

Eine nachhaltige Gestaltung des Ernährungssystems hätte neben den umweltfreundlichen Effekten einen positiven Einfluss auf die sozioökonomische Schieflage des globalen Agrarsystems. 
Das derzeitige Ernährungssystem besteht durch eine extreme Ungleichheit von globalem Süden und globalem Norden. Während im globalen Norden Lebensmittel im Überfluss angeboten und große Mengen weggeworfen werden, ist die Ernährungssicherheit in Ländern des globalen Südens oft unzureichend. Das hängt auch mit der Flächennutzung im globalen Süden zusammen: internationale Konzerne produzieren kostengünstig und unter geringen Umweltauflagen für die Märkte im Norden, während die lokale Bevölkerung hungert und schlecht bezahlt wird. Damit sind gesundheitliche Risiken verbunden, denn der Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft ist in Ländern des globalen Südens oft kaum reguliert und kontrolliert. Dementsprechend sind die Auswirkungen auf die Umwelt gravierend. Leider werden diese Länder noch stärker vom Klimawandel betroffen sein als der kühlere Norden, sodass Dürren und Wetterextreme die Landwirtschaft und Versorgung der eigenen Bevölkerung noch schwieriger machen wird. 
 

All diese Problematiken könnten minimiert werden, wenn das Ernährungssystem nachhaltiger gestaltet werden würde. Durch lokale Lieferketten wird die Landwirtschaft der Länder im globalen Süden unabhängiger vom internationalen Handel und Landwirt*innen können sich auf die Ernährungssicherung der Menschen vor Ort konzentrieren.