„30 Jahre Grünes Band – Perspektiven für die Altmark“

Veranstaltungsbericht

Wie kann die Region Altmark von der einzigartigen Erinnerungslandschaft und dem ökologischen Schatz des Grünen Bandes - dem ehemaligen innerdeuschen Todesstreifen - profitieren? Am 11. Juli 2019 veranstaltete die Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt gemeinsam mit dem BUND Sachsen-Anhalt e.V. in der Hansestadt Salzwedel eine Podiumsrunde anlässlich des 30jährigen Jubiläums des Grünen Bandes. Mit Anne Schliephake (Historikerin und Kulturmanagerin, Kunsthaus Salzwedel), Jana Henning (Altmarkbotschafterin, „In the Middle of Nüscht“, Stadtmarketing Hansestadt Osterburg) und Dieter Leupold (Projektleiter BUND Grünes Band) diskutierten wir, wie das Potential des Grünen Bandes für die Altmark weiterentwickelt und genutzt werden kann.

Lila Blüten vor grüner Landschaft mit Fluss

Am 11. Juli veranstaltete die Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt gemeinsam mit dem BUND Sachsen-Anhalt e.V. in der Hansestadt Salzwedel eine Podiumsrunde anlässlich des 30jährigen Jubiläums des Grünen Bandes. Mit Anne Schliephake (Historikerin und Kulturmanagerin, Kunsthaus Salzwedel), Jana Henning (Altmarkbotschafterin, „In the Middle of Nüscht“, Stadtmarketing Hansestadt Osterburg) und Dieter Leupold (Projektleiter Grünes Band) diskutierten wir gemeinsam mit vielen Teilnehmer*innen,  wie das Potential des Grünen Bandes für die Altmark weiterentwickelt und genutzt werden kann. Uns interessierte, wie das Grüne Band lokal und regional eingebunden ist und wie die gesamte Altmark von der einzigartigen Erinnerungslandschaft und ökologischen Schatz profitieren kann. Zudem wollten wir wissen, was die entscheidenden Erfolgsfaktoren für ein gutes und attraktives Leben im ländlichen Raum fragen, die (jungen) Menschen das Dableiben und Zurückkommen in die Region erleichtern.

Vier Personen sitzen nebeneinander auf dem Podium, eine Person spricht

 

Das Grüne Band – Erinnerungsraum an die friedliche Überwindung der SED-Diktatur und der Teilung Europas sowie ökologischer Schatz

Der BUND hat das Grüne Band, dh. den schmalen, bis zu 5 km breiten Bereich entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze zu einem der größten und bedeutsamsten Naturschutzprojekte in Deutschland entwickelt. Im Jahr 2019 wird das Grüne Band von der Kenia-Koalition voraussichtlich als Nationales Naturmonument unter einen besonderen Schutz gestellt. Dieser Status erlaubt es, die Erinnerungskultur des Grünen Bandes, zum Beispiel alte Wachtürme, Grenzanlage und geschliffene Dörfer zu erhalten, als auch die besondere Naturlandschaft und Biotope, die im kaum von Menschen genutzten Grenzgebiet entstanden sind, zu bewahren.

Der Altmarkkreis Salzwedel besitzt mit 132 km einen der längsten Streckenabschnitte des Grünen Bandes in Deutschland. Gleichzeitig ist der Landkreis laut eines Rankings aus dem Jahr 2018 die wirtschaftlich schwächste Region Deutschlands.  Zusätzlich trifft der demographische Wandel die gesamte Altmark mit besonderer Härte, wie eine aktuelle Studie des Berlin Instituts für Bevölkerung und Entwicklung prognostiziert.

„…Dreiklang aus Naturschutz, Grenzgeschichte und Kultur…“ 
(BUND-Projektleiter Dieter Leupold über das Potential des Grünen Bandes)

Welche Perspektiven bietet das Grüne Band für die Region? Und wie kann das Potential des Grünen Bandes weiterentwickelt werden? Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Ausgangssituation eröffneten diese Fragen den Beginn der gut besuchten Diskussion. Dieter Leupold skizzierte in einem kurzen Rückblick die Aktivitäten des BUND, die bereits wenige Wochen nach dem Mauerfall begannen und sich in den 90er Jahren intensiv gegen den Ausverkauf des Grünen Bandes durch Privatisierung richtete. Mit den touristischen Produkten, etwa dem Vier-Länder-Grenzradweg oder dem ‚Erlebnis Grünes Band‘ seien bereits erfolgreiche Produkte entstanden. Als nächstes gelte es, so der Biologe weiter, das Projekt „Lückenschluss Grünes Band“, zu vollenden.  „Aus den Erfahrungen der letzten Jahre wissen wir, dass das Grüne Band in der nördlichen Altmark mit seinem Dreiklang aus Naturschutz, Grenzgeschichte und Kultur auf ein großes Interesse bei Einheimischen aber auch Besuchern der Region stößt. Dieses Potenzial gilt es zukünftig noch sehr viel besser als Impulsgeber für eine nachhaltige Regionalentwicklung zu nutzen und da kann der Status als Nationales Naturmonument einen wichtigen Beitrag leisten“, sagt der Projektleiter des Grünen Bands und stellvertretende Vorsitzende vom BUND Sachsen-Anhalt e.V..

Identitätsstiftend und ökologisch ausgesprochen wertvoll

„Im Grünen Band liegt viel touristisches Potential und möglicherweise auch ein identitätstiftender Anker für die Region Altmark, die sich ja häufig noch stark in Ost- und Westaltmark denkt“, so die Osterburger Verwaltungsangestellte Jana Henning. „Gerade heute in Zeiten des Klimawandels“, findet die ehrenamtliche #Altmarkbotschafterin „ist das Grüne Band mitsamt seiner Biotope und ökologischen Nischen ausgesprochen wertvoll.“  Sie wünscht sich für das Grüne Band und die umliegende Region eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit, gerade in Sachen Natur- und Klimaschutz. „Ein Zweckverband für Umwelt- und Naturschutz, das wäre doch was!“ Sie sieht zudem, und darin stimmen ihr Dieter Leupold und Anne Schliephake zu, ein Defizit bei der gemeinsamen regionalen Vermarktung des Grünen Bandes und der Altmark insgesamt.

weite Flusslandschaft mit grünen Bäumen

Potential besonders in der Verbesserung des Regionalmarketings und der Sichtbarkeit von Aktivitäten und Initiativen

Die Kulturmanagerin Anne Schliephake, die sich in Salzwedel ehrenamtlich im Verein „Kultur-Nische“ u.a. für den Erhalt der traditionellen Fachwerkhäuser in der Hansestadt einsetzt, sieht ebenfalls im Bereich Naturschutz, als auch im Bereich des nachhaltigen Individualtourismus eine große Chance für die Altmark. Deutlich sei jedoch, so die Kulturmanagerin, dass es bisher noch an passender Infrastruktur, wie kleinen Herbergen fehle, zudem sei eine große Frage, wie auch kleine Aktivitäten und Initiativen sichtbar werden könnten.

Dies führte zu einem weiteren wichtigen Thema des Abends, der Frage von kontinuierlicher und dauerhafter Vernetzungsarbeit, die unabhängige(er) von der Aktivität von Einzelpersonen sein sollte. Aus den Beiträgen der Podiumsgäste, aber auch der Teilnehmer*innen wurde deutlich, dass es viel Engagement, verschiedenste Akteur*innen und Ideen gibt, es aber an übergreifenden Koordinationsstrukturen, die wichtig wären und auch finanziert sein müssten, mangelt. „Aus meiner Sicht“, so Anne Schliephake, „wäre es schön eine Art Schnittstelle oder Koordinator*in für die Regionalentwicklung/Vernetzung zu haben, damit Initiativen gebündelt werden können bzw. untersucht wird an welchen Stellen besonders Handlungsbedarf besteht.“

Dieter Leupold machte an diesem Punkt deutlich, dass nicht nur die regionale Vernetzungs- und Vermarktungsarbeit verbesserungsfähig sei, sondern auch die überregionale Vernetzungs- und Vermarktungsarbeit. Schließlich müsse man besonders beim Tourismus in der Region auch das Wendland mit einbeziehen und könne nicht an der Ländergrenze stehen bleiben.

Naturschutzleistungen der Bauern und Bäuerinnen sollten stärker honoriert werden

Eine Vertreterin des Landwirtschaftverbands der Region machte noch einmal deutlich, dass die Entwicklung des Grünen Bands nur gemeinsam mit der ansässigen Landwirtschaft gehen könne. Hier stimmt Dieter Leupold zu, aus seiner Sicht kann die Kulturlandschaft des Grünen Bandes nur zusammen erhalten werden und deshalb sollten Naturschutzleistungen der Bauern und Bäuerinnen vom Land honoriert werden. „Hier brauchen wir ein Umdenken“, so der Umweltschützer „Leistungen, die dem Gemeinwohl aller dienen, aber regional von Landwirt*innen geleistet werden, wie zum Beispiel das Vernässen von Flächen, sollten vom Land wenigstens mit einer Ausgleichszahlung bedacht werden.“

Daseinsvorsorge im ländlichen Raum sollte vor Ort diskutiert werden

Aus Zeitgründen nur kurz andiskutiert wurde die Frage, welche Faktoren des Leben auf dem Land attraktiv machen und wie man junge Leute auf dem Land hält bzw. zur Rückkehr animieren kann. Anne Schliephake, als im Verein Engagiert findet es schade, dass die kommunalen Stadt- und Gemeinderäte aufgrund des starken Haushaltsdrucks kaum offen für Diskussionen und Innovationen zur Entwicklung der Region seien. Natürlich spiele auch hier Infrastruktur eine wichtige Rolle, führt sie weiter aus, und hier vor allem das, was unter die Daseinsvorsorge zähle, wie zum Beispiel die ausreichende Versorgung mit Ärzt*innen. „Aber ist das Wohnen in einer intakten Natur nicht auch wertvolle Lebensqualität, die häufig gar nicht in den Bereich der Daseinsvorsorge gezählt werde“, fragte Jana Henning zurück. Sie verwies zudem auf mehrere Modellprojekte mit Coworking-Spaces im ländlichen Raum, die eine Facette sein könnten, um Menschen auf dem Land zu halten. „Und wir brauchen in der Altmark auch die Wirtschaft, damit junge Menschen Jobs finden, das geht nicht nur mit nachhaltigen Tourismus-Projekten“ erklärte der Unternehmer Dietrich von Gruben in seinem Diskussionsbeitrag. Dieser Themenkomplex, mitsamt der Frage, was Daseinsvorsorgestrukturen im ländlichen Raum ausmachen, welche unbedingt erhalten werden müssten und welche Best-Practice es schon gibt, wurden abschließend als Themen für nächste Veranstaltungen genannt.