Interview: Klimaresilienter Weinbau in Sachsen-Anhalt

Wir besuchten den Winzer Jens Eckner in der Nähe von Naumburg. Er ist Weinbauleiter beim Landesweingut Kloster Pforta. Mit einer bewirtschafteten Fläche von 52 Hektar ist es das größte Weingut der Region. Das Weingut ist Teil des internationalen EU-Forschungsprojekts »LIFE Vine Adapt« und erprobt sich im Rahmen des Projekts an klimafestem Weinbau. Jens Eckner berichtete uns im Zuge dessen von den Herausforderungen, welche die Klimakrise für den Weinbau mit sich bringt. Aber auch von einigen vielversprechenden Ansätzen, die den Weinbau nicht nur im Hinblick aufs Klima stärken können, sondern ihn gleichzeitig ökologisch verträglicher machen sollen. Das Gespräch führte Linda Leibhold am 17.01.2024.

 

Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen Herr Eckner. Ich würde gern mit einem persönlichen Einstieg anfangen: Warum sind Sie Winzer geworden und seit wann sind Sie im Weinbau tätig?

Jens Eckner: Im Weinbau tätig bin ich seit 2002. Ich habe seit 2005 eigene Flächen in der Bewirtschaftung und bin jetzt seit drei Jahren im Landesweingut als Weinbauleiter für den Weinbau auf 52 Hektar verantwortlich. Mein Warum: eine schnelle Begeisterung für die Materie. Ich bin eigentlich Agraringenieur. Ich habe meine Diplomarbeit zur Boden-Wasserhaushalts-Thematik im Weinbau geschrieben und war sehr schnell angetan von der Arbeit mit der Rebe und mit dem Produkt Wein. Ich bin dabei hängengeblieben. Und die Begeisterung hält an!

 

Das ist doch schön zu hören! Sie arbeiten beim Landesweingut Kloster Pforta. Sie haben jetzt gerade gesagt, da werden 52 Hektar bewirtschaftet. Welche Rebsorten werden denn bei Ihnen angebaut?

Jens Eckner: Wir arbeiten momentan mit einem sehr klassischen Rebsorten-Spiegel. Also Riesling, Müller-Thurgau, Weißburgunder und die üblichen Bekannten. Es kommen jetzt auch die ersten pilzwiderstandsfähigen Rebsorten dazu, um die Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln gewährleisten zu können. So wie das Gebiet lebt der Betrieb da auch von einer breiten Vielfalt.

 

Und was macht die Region Saale-Unstrut hier in Sachsen-Anhalt so prädestiniert für ihre guten Weine?

Jens Eckner: Ja wie heißt es so schön – wir haben hier die »cool climate« Weine. Wir sind hier quasi an der nördlichen Grenze vom Weinbau und haben noch das Glück, dass wir zur Lesezeit relativ kühle Nächte haben. Damit bauen unsere Weine nicht so schnell in der Säure ab und werden feingliedriger und feinfruchtiger als in anderen Gebieten. Die Lage, die hier teilweise auch kontinentale Einschläge hat, bringt aber natürlich auch einige Herausforderungen mit sich, wie Spätfrost oder extreme Dürreperioden bei Ostwind im Sommer.

 

Dürreperioden sind ein Stichwort, das ich gleich mal aufnehmen möchte. Welche Herausforderungen gibt es denn für den Weinbau vor dem Hintergrund des Klimawandels ganz allgemein gesprochen?

Jens Eckner: Allgemein gesprochen werden uns weiter steigende Temperaturen prognostiziert. Die Niederschlagsmengen werden sich nicht unwahrscheinlich ändern. Aber durch die höheren Temperaturen gibt es einen erhöhten Verdunstungsanspruch. Es geht das ganze Jahr über Wasser über die Vegetation und Begrünung verloren. Zusätzlich werden die Extremsituationen stärker: Hitzeperioden und Dürreperioden häufen sich. Das hat sich auch in den letzten Jahren abgezeichnet. Und gleichzeitig gibt es die Tendenz, dass wenn Niederschläge kommen, sie konzentrierter sind: als Starkniederschläge. Damit sind die Böden auch großflächig von Erosion bedroht.

 

In unserer Ausstellung geht es ja ganz explizit um das Thema Wasser. Was hat sich im Zuge der Dürrejahre ab 2018 denn dahingehend für Sie verändert?

Jens Eckner: 2018 war ja nun ein sehr bezeichnendes Jahr, wo unsere Reben extrem unter den mangelnden Niederschlägen gelitten haben. Wir hatten auch vorher teilweise schon solche Jahre, wie beispielsweise 2003. Wir müssen nun mit dieser neuen Situation umgehen. Wir wissen, dass es zunehmend so sein wird und müssen nun schauen, wie wir unsere bewährten Wirtschaftsweisen anpassen können. Es schießen immer mehr Tröpfchenbewässerungen und insgesamt Bewässerungsanlagen in den Rebanlagen aus dem Boden. Auch wir als Landesweingut haben mittlerweile einige Projekte angeschoben und Bewässerung beispielsweise am Köppelberg schon umgesetzt. Wir müssen aber auch in der Produktion an sich anders arbeiten: Gucken, wo wir Wasser einsparen können, ob wir mit anderem Bodenmanagement oder anderen Begrünungsmischungen arbeiten können, um Wasser einzusparen und so der Gesamtsituation entgegenzuwirken.

 

Und wie groß sind die Hebel auf Betriebsebene, um wassersparende Techniken umzusetzen?

Jens Eckner: Wenn dann sind es langfristige Aspekte. Grundsätzlich ist es wichtig, dass wir Wasser im Boden halten – sprich Bodenfruchtbarkeit stärken und Humusgehalte erhöhen, sodass erstmal mehr Wasser dableiben kann. Zudem ist es wichtig, in der Bewirtschaftung an sich wesentlicher flexibler und schneller auf Extremsituationen eingehen zu können, also das Instrumentarium insgesamt zu erweitern. Wir arbeiten viel mit Begrünungsmischungen, die standortangepasst sind und tendenziell weniger Wasser verbrauchen als herkömmliche Mischungen aus dem Futterbau. Wir müssen gucken, ob wir die Laubwände so hoch halten, wie sie früher waren oder niedriger gestalten. So wie es im mediterranen Raum ist. Sproch, durch die Rebe weniger Wasser zu verbrauchen, auch wenn die Erträge dann etwas niedriger sind.

 

Um sich den neuen oder künftigen Herausforderungen anzupassen wurde 2020 das internationale EU-Projekt »LIFE Vine Adapt« ins Leben gerufen, wo Sie auch Teil davon sind. Das ist der Nachfolger eines fünfjährigen Vorläuferprojekts mit ähnlicher Zielstellung. Können Sie uns zunächst mal grob erklären: Worum geht es in dem Projekt und was sind die Ziele?

Jens Eckner: Das ist gar nicht so einfach. Wir sind ein Konsortium mit verschiedenen Projektpartnern und wir haben internationale Partner in der Südsteiermark, in Ungarn, in Südfrankreich. Die haben ähnliche Probleme mit dem Klimawandel und mit Wasserknappheit zu entsprechenden Bedarfszeiten. Gemeinsam haben wir, dass produktionsintegrierte Maßnahmen, wie eben die Begrünungsmischung mit Wildpflanzen als Hebel gesehen werden, um auf die Herausforderungen zu reagieren. Das Ganze wird wissenschaftlich untersucht und begleitet. Es wird beispielsweise geguckt, welche Biodiversitäts-Auswirkungen es hat. Letztlich wird es übergeordnet ausgewertet über das System der Ökosystemdienstleistungen. Dabei gibt es verschiedene Versuchsanstellungen: über Begrünungsmischungen als zentrales Thema, Bewässerungsmanagement, Düngemanagement, sowie auch Unterstockmanagement. Somit deckt es verschiedene Aspekte des gesamten Systems ab. Es wird also untersucht, wie die kleinen Hebel im Gesamtsystem zusammenwirken.

 

Und was genau wird in den einzelnen Arbeitspaketen dann umgesetzt? Was erproben Sie in den Bereichen?

Jens Eckner: Zentral sind wie gesagt die Begrünungsmischungen aus Wildpflanzen. Die sind standortangepasst an allen beteiligten Ländern angebaut und es wird untersucht, wie sie sich auf die Rebe und die Diversität im Weinberg auswirken. Es gibt Fragestellungen, welche Nützlinge dadurch gefördert werden, die uns zugutekommen können. Es gibt ein weiteres Arbeitspaket, welches sich mit alternativen Düngevarianten beschäftigt. Um Einsparungen bei mineralischen oder organischen Düngungen vornehmen und so CO2 einsparen zu können. Wir untersuchen außerdem, wie unterschiedliche Bewässerungsmanagements wie oberirdische und unterirdische Tröpfchenbewässerung oder ganz ohne Bewässerung sich auf Ertrag und Vitalität der Reben auswirken. Und wie sich das ganze wieder umgekehrt auf die Begrünungsmischungen auswirkt und ob es entsprechende Unterschiede in der Biodiversität gibt. Wir schauen, ob wir Alternativen in der Unterstockbewirtschaftung empfehlen können. Also weg vom Herbizid-Einsatz, hin zu organischen Herbiziden oder der mechanischen Bewirtschaftung. Dazu gibt es Datenerhebungen und wissenschaftliche Auswertungen, um Aussagen treffen zu können.

 

Und das Thema Pestizide wird aber in dem Projekt noch nicht angegangen? Das ist ja im Weinbau natürlich auch ein großer Aspekt.

Jens Eckner: Das ist im Weinbau generell ein großes Thema, ja. Es ist bei uns über die Unterstockbewirtschaftung angerissen. Aber wir können es in unserem Projekt so noch nicht mit integrieren. Da gibt es andere Projekte, die da eher darauf hinarbeiten.

 

Das Projekt läuft ja noch bis 2025. Lassen sich schon leichte Tendenzen oder Ergebnisse herausstellen oder ist es noch zu früh, um da Abschätzungen zu treffen, was die Unterschiede in den Bewirtschaftungen angeht?

Jens Eckner: Große, generelle Aussagen kann man glaube ich noch nicht treffen. Wir sehen auf jeden Fall, dass wir mit den entsprechenden Begrünungsmischungen die Diversität im Weinberg von Pflanzen, Wildbienen und Nützlingen deutlich steigern können. Sowohl im Artenbereich als auch was die Mengen angeht. In den Bereichen gerade Düngung oder Bewässerung können wir bis jetzt Tendenzen wahrnehmen, aber noch keine gesicherten Aussagen machen.

 

Gehen Sie davon aus, dass der Bewässerungsbedarf im Weinbau generell noch ansteigen wird?

Jens Eckner: Ja. Also da gehe ich definitiv von aus - das zeigen auch die Tendenzen. Wie gesagt mit Zunahme der Dürre- und Hitzeperiode sowohl in Intensität und Häufigkeit erhöht sich im Mittel der Wasserbedarf. Wir müssen schauen, wie wir ihn durch Maßnahmen wie angepasste Bewirtschaftung abmildern können. Aber gerade, um unsere markanten Bewirtschaftungen, wie Terrassenlagen oder Steillagen am Leben zu halten, brauchen wir Bewässerung. Insbesondere dort wird der Bedarf steigen.

 

Ich halte fest, dass es zahlreiche Herausforderungen gibt, aber durchaus auch Bewirtschaftungsmethoden, die den Weinbau klimafester machen und sparender mit Wasser umgehen können. Was bräuchte es denn Ihrer Einschätzung nach, damit solche Methoden für Winzerinnen und Winzer zugänglicher werden, lukrativer werden - dass es mehr in die Breite streuen kann?

Jens Eckner: Wir denken, dass ein großes Thema die Wissensvermittlung ist. Die Ergebnisweitergabe, an der wir stark interessiert sind. Da so weit wie möglich in die Öffentlichkeit zu treten. Ich sehe den Bedarf, dass solche Ergebnisse auch stärker in die Lehre mit eingebracht werden müssten, wo es oftmals noch hakt und die vermittelten Inhalte leider nicht in jedem Falle dem aktuellen fachlichen Standard entsprechen. Wir müssen unsere Begeisterung teilen und die Leute mitnehmen. Die Leute motivieren, dass sie es auch ausprobieren, dass es sich lohnt.

 

Und was würden Sie sich im Umgang mit dem Thema Weinbau der Zukunft wünschen?

Jens Eckner: Wir haben ja verschiedene Herausforderungen. Unsere größte Herausforderung ist Personal einzuwerben, Fachkräfte zu finden. Dann natürlich die Herausforderung, die von Außen an uns herangetragen werden hinsichtlich beispielsweise Sustainable Use Regulation [eine geplante EU-Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die jedoch im November 2023 vom EU-Parlament abgelehnt wurde], was uns um Lichtjahre im Weinbau zurückgeworfen hätte. Damit wären ganz viele Flächen schlichtweg nicht mehr bewirtschaftbar gewesen. Und ich würde mir wünschen, dass die Wertschätzung zunimmt für die Arbeit, die wir machen: einerseits als Landschaftspfleger, aber auch für das Produkt – sowohl im Weinbau als auch in der Landwirtschaft.

 

Gibt es denn im Hinblick auf die Landwirtschaft Arbeitsfelder, die sich auf die Agrarlandwirtschaft übertragen lassen oder ist es da mit dem Weinbaufokus doch zu spezifisch?

Jens Eckner: Da ist die Dauerkultur Weinbau doch zu spezifisch, um es in die breite Landwirtschaft zu überführen. Aber für den Obstbau gibt es sicherlich einige interessante Ansatzpunkte. Ansonsten können wir in die breite Landwirtschaft da nicht sonderlich viel tragen – außer unsere Begeisterung.

 

Begeisterung, das nehme ich doch gern mit auf. Zum Abschluss würde ich Sie gern fragen, ob Sie einen Lieblingswein haben, den Sie mir empfehlen können?

Jens Eckner: Ich bin Riesling-Fan. Gerade unsere Rieslänge vom Saalhäuser sind da sicherlich einen Versuch wert!

Ich danke Ihnen für die Empfehlung, Ihre Einblicke und Ihre Zeit. Ganz herzlichen Dank.